Wie es begann
Züchten ist wie Kochen
Inzucht und andere Zeitbomben
Lernen aus den Erfahrungen anderer
Hat Züchten Zukunft ?
Die Lage ist bedenklich
Aufhören wenn es am schönsten ist
 
Marvellous Silver Dabblitz

Züchten ist wie Kochen

Wie züchtet man schöne Silbertabbys? Diese Frage gewann in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung. Der Boom - verursacht durch hervorragend gemachte Werbung mit den „Silbertigern" - rief neue Züchter auf den Plan. Sie versuchten sich mit dem gängigen Know-how in der Silbertabby-Zucht. Die Ergebnisse waren nicht unbedingt zufriedenstellend. Wie sollten sie auch?!
Schon beim Kochen kommt es allein auf die richtigen Zutaten an. Wer seine züchterischen Erfahrungen vielleicht mit einer Rasse machte, bei der man alles mischen darf, wird sich mit der Tabby-Zucht schwer tun. Wer Einfarbige züchtete und sich in puncto Farbbestimmung auf den Genpool seiner Mutterkatze verließ - gedeckt von irgendeinem einfarbigen Kater mit orangefarbenen Augen - bekam vielleicht einen bunten Wurf und musste sich nur über Nuancen Gedanken machen.
Bei Tabbys, vor allem den Silbernen, ist alles anders. Tabbys muss man mit Kopf züchten. Bei falscher Anpaarung kann man in zwei Generationen kaputtzüchten, was vielleicht in jahrelanger Arbeit aufgebaut worden ist.
Muster ist kein Zufall!!! Was Katze und Kater nicht tragen in ihrem Genpool, können sie an die Kitten auch nicht weitergeben. Insofern ist das Wissen um die Linien, um die Ahnen der hinteren Generationen von größter Bedeutung für die richtige Anpaarung.

Fragen zur Zucht beantwortet Maria Wellmeyer unter Telefonnummer 05481/82250.
 

Inzucht und andere Zeitbomben

Geflügelzüchter praktizieren es, die Kaninchenzüchter wissen den raschen Erfolg, den Inzucht bescheren kann, ebenfalls zu schätzen. Auch bei den „gefiederten Rennpferden" (sprich: Tauben) greift man gern zu dem probaten Mittel, gewisse Kriterien schnell zu verfestigen. Wenn es funktioniert, sonnt sich der Züchter in seinem Erfolg. Wenn nicht, nun ja, dann gibt es immer noch den Kochtopf, in den die Produkte missglückter Zuchtbemühungen wandern können.

Auch bei Nutzvieh, vom Kotelett-Spender bis zur heranwachsenden Roulade, wusste man in der Vergangenheit Zuchtfortschritte durch enge Linienzucht zu erreichen. Bis die vierbeinigen Lieferanten von magerem Schweinefleisch inzuchtgeschädigt den Schlachthof gar nicht mehr erreichten, weil sie ob der Aufregung des Verladens auf den Rampen der Transporter tot umfielen. Besuche in Schweinezuchtbetrieben fielen aus gleichem Grunde aus: Die grunzenden Bewohner der Laufställe verkrafteten den Anblick fremder Personen nicht und flüchteten hinüber in die ewigen Jagdgründe. Hochgezüchtete Milchkühe traten angesichts von Stresssituationen in den Produktionsstreik. So besannen sich die deutschen Bauern schon lange vor der ministeriellen Empfehlung zur alternativen Landwirtschaft auf bewährte Zuchtkonzepte, kreuzten „stressstabile" Speckproduzenten ein, stellten sich Robustrinder auf die Weiden und resümierten: Nicht jeder „Fortschritt" erweist sich in der Praxis als vernünftig.

Was ein mageres Kotelett mit Katzen zu tun hat, wo wir doch unsere Samtpfoten nicht für den Kochtopf züchten? Mehr, als man im ersten Moment denken könnte, finde ich. Nur, wenn wir über den Tellerrand schauen und aus den Fehlern der anderen lernen, können wir uns eigene Fehler ersparen. Und das ist sicherlich zum Besten der Katzen!

Als ziemlicher Zuchtneuling, der lernbegierig den Erzählungen von erfahrenen Züchtern lauschte, lief mir damals ein Schauer über den Rücken, als ich folgende Empfehlung hörte: Bei Import-Tieren müsse man nur ein paar direkte Rückkreuzungen machen, besonders geeignet seien da Vollgeschwister-Verpaarungen, um herauszufinden, welche genetischen Defekte das eingekaufte Zuchttier in sich trage. Und was geschieht mit den unglückseligen Beweisstücken? Die könne man dann ja einschläfern lassen, lautete die Antwort. Frankenstein ließ grüßen. Wer sind wir Katzenzüchter, dass wir so über Leben und Tod entscheiden.

Wer züchtet, also Wesen in die Welt setzt, sollte sich der Verantwortung bewusst sein. Nicht nur einer Verantwortung für ein gutes Zuhause der gezüchteten Kitten, nein, auch vor allem für ein gesundes, langes Leben.
Katzenzüchter dürfen sich meiner Meinung nach nicht an Zuchtpraktiken der oben genannten Populationen orientieren, wo nur der schnelle Erfolg zählt. Die durch Inzucht kurzfristig erreichte Schönheit bei unseren „Stubentigern" darf nicht langfristig zur Zeitbombe werden, weil seriöse Zuchtkriterien hintan gestellt werden. Damit will ich nicht dem züchterischen „Wildwuchs" das Wort reden. Eine Planung über Generationen tut not, wenn züchterische Arbeit auf Dauer Bestand haben soll. Ich kann nur auf die Erfolge der deutschen Pferdezucht verweisen (siehe nebenstehenden Text), die seit Jahrhunderten wohlüberlegt betrieben wird, bei der auch immer wieder eine Neuorientierung auf andere Zuchtziele, Zeitgeist und neue Individuen erforderlich war. Wenn Deutschland schon seit Jahrzehnten im Dressur- wie Springsport maßgeblicher Lieferant von potentiellen Olympiapferden ist, und das für alle Nationen dieser Erde, spricht das für eine erfolgreiche Planung und konsequente Gesundheits-Selektion. Denn bis ein Pferd die Olympiareife erlangt hat, muss es schon viele Jahre lang im Sport gesund geblieben sein.

Inzucht ist in der Pferdezucht verpönt. Es dauert so lange, ein Pferd zu züchten, da kann und will man sich Experimente und Fehlschläge nicht leisten. Die Stute trägt elf Monate, bis das Pferd als Reitpferd beurteilt werden kann, vergehen drei bis vier Jahre. Da nimmt man nicht das Risiko von Krankheit und Reituntauglichkeit in Kauf.

Welchen Vorteil soll Inzucht überhaupt bringen? Dass gewisse Schönheitsmerkmale auftreten, weil man sie auf kurzem Weg vervielfacht? Der Weg mag kurz sein, der Gedanke aber kurzsichtig. Denn kein Tier ist so gesund, dass man ungestraft immer wieder darauf zurück züchten kann. Irgendwann setzt die Natur den Schlusspunkt. Und dann wird der „kurze Weg" zu einem sehr langen, weil man die Fehler der vergangenen Generationen wieder ausmerzen muss. Wenn es dann überhaupt in der gleichen Varietät noch genügend Fremdblut gibt, um Schwachpunkte der Inzuchtlinie aufzufangen. Denn das ist leider kein Einzelfall: Der „Supercrack", der totale Show-Winner, das ungewöhnliche Produkt einer Laune der Natur wird zum Multi-Vererber. Denn jeder möchte genau diese Farbe, diesen Typ, dieses Muster haben. Und schon bald kennt jeder Katzenfan den Namen des Superstars und - Horror! - orientiert sich beim Kauf eines Zuchttieres an dem möglichst häufigen Auftreten dieses Namens in einem Stammbaum. Die Milchmädchenrechnung: Bei soviel geballter Schönheit muss ein Tier diese ja auch weitergeben.

Die Folgen des Ahnenverlustes und eines hohen Inzuchtkoeffizienten sind in verschiedenen Beiträgen in „Katzen Extra" aufgezeigt worden . Selbst Tabellen wurden angeboten, damit jeder Züchter sich den Inzuchtgrad seiner Tiere selbst ausrechnen kann. Auch die gesundheitlichen Gefahren (Immundepression!) wurden wiederholt genannt. Warum nur, frage ich mich, hören Züchter nicht auf die Warnungen, die doch auf Erkenntnissen beruhen und nicht Fantasien entsprungen sind?

Ich glaube, eine Ursache ist, dass viele Züchter gar nicht wissen, wie inzüchtig ihre Katzen sind. Sie lesen die Stammbäume nicht. Allenfalls schauen sie auf die Namen der Elterntiere. Für den Hintergrund interessieren sie sich nicht, obwohl er aus einer permanenten Wiederholung gleicher Namen besteht.

Andere verfallen ins Gegenteil: Wenn im Stammbaum der Katzen vielleicht zwei- oder dreimal der gleiche Zwingername steht, diagnostieren sie: Inzucht. Der Zwingername kann für enge Verwandtschaft stehen, muss aber nicht. Wenn die Tiere aus einer gut geplanten Zucht stammen, finden sich in den hinteren Generationen überwiegend verschiedene Vorfahren. Daher sollte jeder Züchter - ob alt oder neu - den Stammbaum bis zur letzten Generation aufmerksam lesen, bevor er sich ein Urteil bildet. Denn gerade engagierte Züchterinnen und Züchter, denen das Wohl einer Rasse am Herzen liegt, verpaaren gut überlegt, setzen immer wieder Fremdblut ein und halten ihre Linien so „offen". Somit kann es züchterisch gesehen sogar von Vorteil sein, wenn ein (seriöser) Zwingername öfter im Stammbaum zu lesen ist.

Die Rufnamen der Zuchttiere sollten kritisch beäugt werden. Ein hervorragendes Beispiel lieferte Raymonde Harland zur Hintergrund-Inzuchtbelastung in „Katzen Extra" 8/1999. Die Autorin ging auch in 10/2001 auf das „Schreckgespenst in der Katzenzucht" , die Inzuchtdepression, ein. Welcher Züchter möchte schon das erleben, was die Autorin dort aufzählt: „Die Würfe werden kleiner, die Kitten sterben häufiger, chronische Krankheiten häufen sich und das Immunsystem wird insgesamt schlechter. Die Instinktsicherheit nimmt ab, ebenso die Intelligenz und die Körpergröße. ..... Inzucht bringt die in der Linie vorhandenen defekten Gene zum Vorschein." Sicher: Bei einer Verpaarung verwandter Tiere werden diese in vielen Genen reinerbig und können gute Eigenschaften sicher weitervererben. Das weiß Raymonde Harland wie auch andere erfahrene Züchter. Doch wie sagt der Volksmund: Wenn Zwei das gleiche machen, ist es noch lange nicht dasselbe. Es gehört sicherlich ungeheuer viel Wissen um die Vorfahren, um Vor- und Nachteile der Ahnen, dazu, um Verwandtschaftszucht verantwortungsbewusst und zum Wohle der Rasse zu betreiben.

Nicht ganz so risikoreich ist da die Linienzucht, ohne die es bei vielen Varietäten nicht geht. Wir erleben es zur Zeit in der BKH-Silbertabby-Zucht. Unsere „Stubentiger" genießen dank der Werbung eine nie für möglich gehaltene Popularität. Für mich ging damit ein Teil meines Traumes in Erfüllung, den ich seit 20 Jahren hegte. Ich wünschte mir, dass Silbertabbys mal so bekannt würden wie die Blauen. Neue Züchter würden sich für die Varietät begeistern, da war ich mir sicher. Und nur viele Züchter und eine breite Basis können den gesunden Bestand einer Varietät sichern. Die Popularität haben wir, viele neue Züchter auch. Doch ich musste lernen: Wenn Viele mit gleichen Linien züchten, dient das nicht der Absicherung einer Farbe. Im Gegenteil: Schon gibt es sehr enge Verpaarungen. Die Hintergrund-Inzuchtbelastung bereitet mir Sorgen. Die Züchter lesen die Stammbäume nicht gründlich. Die Zuchttiere werden zum „Rasiermesser in der Hand des Affen", wie man sehr drastisch die Benutzung von Hilfszügeln durch Anfänger bei der Ausbildung von Pferden nennt.

Somit müsste die Benutzung anderer Farben für die Tabbyzucht begrüßt werden?! Ja und nein, finde ich. Nur wenige Farben sind geeignet. Man kann einmal über Shaded gehen, oder einfarbige Tiere benutzen, wenn man gelbäugige Tabbys züchten möchte. Allerdings muss man sich darüber klar sein, dass man sich so eigentlich „unerwünschte" Gene hereinholt. Ein Outcross, bei dem man ein Stück Schönheit und Standard einbüßt, ist sinnvoll, wenn man mit den Kitten verantwortungsbewusst umgeht. Man sollte wissen, wie man in der nächsten Generation die Fehler wieder korrigieren kann. Und da kommt den durchgezüchteten Katzen/Katern aus der Verwandtschaftszucht eine besondere Bedeutung zu. Grundsätzlich sind Wiederholungen gelungener Verpaarungen kritisch zu betrachten. Wenn alle diese Tiere an Züchter gehen, wird die Zuchtbasis eingeengt, weil es zu viele verwandte Tiere gibt. Doch wenn solche Katzen mit gefestigtem Erbgut bewusst an Züchter gegeben werden, die Tiere aus fremden Linien besitzen, vielleicht welche mit experimentellem Hintergrund, kann diese Symbiose von schön/gefestigt mit fehlerhaft/fremd der Gesamtpopulation der Farbe sehr wohl dienen.

Nur sehr wenige Züchter widmen sich leider der Aufgabe, zwecks Gesunderhaltung einer Varietät und/oder Fortentwicklung Umwege zu gehen. Dieser Weg ist ebenso mit Dornen gepflastert wie die „Entwicklungsarbeit" von Zuchtpionieren, die einer neuen Variante innerhalb einer Rasse eine gesunde Basis bescheren möchten. Für diese Arbeit braucht es viele Würfe und mehrere Generationen, bis das Ziel annähernd erreicht ist. Ich meine damit weniger die neuen „Kreationen", die mich etwas an das „Eier legende Wollmilchschwein" erinnern, sondern an Farbvarianten, die innerhalb der Rasse eine Bereicherung auch des Genpools bedeuten können. Die neue Rasse mit dem klingenden Namen dagegen balanciert auf schmalem Grat, da eine breite Basis fehlt, und ist ständig vom Absturz in den Inzuchtabgrund bedroht.

Leider steht offensichtlich bei vielen sogenannten Züchtern die Produktion von Tabby-ähnlichen Jungtieren im Vordergrund, die dann auch noch für horrende Preise an gutgläubige Neuzüchter abgegeben werden. Mir tun diese Neulinge leid, die sich vielleicht mit besten Vorsätzen dieser reizvollen Farbe widmen wollten. Ihr Start in die Zucht beginnt unter schlechten Voraussetzungen. Ich habe schon viele als Zucht- und Ausstellungskatzen gekaufte Tiere gesehen, die einem „Punkt Null" für die Tabbyzucht gleichzusetzen sind. Viele Tabby-Fans geben resignierend wieder auf, was ich schade finde.

Ich habe auf Ausstellungen viele enttäuschte Neuzüchter und Neu-Tabbybesitzer getroffen, deren Tiere auf Grund des Shaded-Hintergrundes kaum noch Zeichnung hatten. Wenn die Tiere durch das Fremdblut gesund geblieben und auch charakterlich einwandfrei sind, wäre die Sache ja noch in Ordnung, sofern die „Züchter" ihre Kitten als reine Liebhabertiere verkauft hätten. Doch oft wurden die Katzen, die Shadeds mit Geistermuster ähneln, als Silbertabby-Zuchttiere verkauft, ohne den Neubesitzern den dornenreichen Weg zu beschreiben, der zwischen dieser Katze und einem standardgemäßen Silbertabby liegt. Das kann man nicht gutheißen. Es dient auch in keiner Weise der Verbesserung oder Konsolidierung der Silbertabbys.

Ich habe mehr als 20 Jahre meines Lebens mit und für Silbertabbys gelebt. Es werden sicherlich nicht weitere 20 Jahre Zucht folgen. Aber ich habe da noch diesen Traum: Ich möchte, dass es ganz viele Züchter - richtige, engagierte, verantwortungsbewusste - gibt, die den gesunden Fortbestand dieser wunderschönen Farbe garantieren.

Fragen zur Zucht beantwortet Maria Wellmeyer unter Telefonnummer 05481/82250